Die zahlreichen Kirchen in Würzburg ziehen Gläubige und Besucher aus aller Welt an. Doch in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels stehen Kirchen vor der Herausforderung, ihre Mitglieder zu halten, um weiterhin eine aktive Rolle in der Gesellschaft zu spielen.
Die Studentenstadt Würzburg in Bayern ist bekannt für ihre reiche Geschichte, ihre beeindruckenden Sehenswürdigkeiten und ihr charmantes Ambiente. Ein wesentlicher Bestandteil des Würzburger Stadtbildes sind die eindrucksvollen Kirchen, die sowohl Gläubige als auch Besuchende aus aller Welt anziehen.
Im Herzen der Stadt erhebt sich zum Beispiel der Dom St. Kilian, der mit einer Gesamtlänge von 105 Metern zu den größten romanischen Kirchengebäuden in Deutschland gehört. Am Marktplatz befindet sich die Marienkapelle mit ihrer Architektur im gotischen Stil. Die Neubaukirche aus der Zeit der Renaissance sowie das Stift Haug mit der 65 Meter hohen Kuppel und den beiden Doppeltürmen sind weitere außergewöhnliche Kirchen in Würzburg. Nicht zu vergessen ist die Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung, auch “Käppele” genannt, die durch ihren reizvollen und atemberaubenden Blick auf die Stadt beeindruckt.
Doch trotz ihrer kunsthistorischen Bedeutung und ihrer Anziehungskraft stehen Würzburgs Kirchen auch im Kontext eines gesellschaftlichen Wandels, der auch vor ihnen nicht Halt macht. In den letzten Jahren ist ein deutlicher Anstieg der Kirchenaustritte in Deutschland zu beobachten. Laut der Deutschen Bischofskonferenz sind im Jahr 2022 über eine halbe Million Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten, was ein neuer Rekordwert ist. Dieser Trend hat verschiedene Gründe, die von individuellen Überzeugungen bis hin zu gesellschaftlichen Veränderungen reichen.
Gründe für den Ausstieg aus der Kirche
In Deutschland werden monatlich zwischen acht und neun Prozent der Lohnsteuer an die Kirche gezahlt. Diese Steuer dient der Finanzierung religiöser Einrichtungen, zu denen unter anderem die katholischen und evangelischen Kirchen gehören. Für viele Gläubige stellt die Höhe dieser Steuer und die Art ihrer Verwendung eine finanzielle Belastung dar. Insbesondere bei Menschen, die mit den Lehren und Aktivitäten der Kirche unzufrieden sind, wird die Kirchensteuer oft als unverhältnismäßig empfunden.
Ein weiterer wesentlicher Faktor für Kirchenaustritte ist der Skandal sexuellen Missbrauchs, der die katholische Kirche in Deutschland und weltweit erschüttert hat. Berichte über Priester, die sexuelle Übergriffe an Minderjährigen begangen haben, haben das Vertrauen vieler Gläubiger stark beeinträchtigt. Die Enthüllungen haben gezeigt, dass solche Vorfälle oft von der Kirchenleitung vertuscht oder ignoriert werden. Das Ausmaß des Missbrauchs und die Tatsache, dass viele Täter straffrei bleiben oder nur milde Strafen erhielten, haben große Empörung ausgelöst und bei vielen Menschen zu einem Bruch mit der Kirche geführt.
Darüber hinaus ist die Ablehnung der katholischen Kirche gegenüber Homosexualität ein weiterer Grund, der Menschen zum Kirchenaustritt bewegt. In einer Zeit, in der die LGBTQIA+-Bewegung an Bedeutung gewonnen hat und eine wachsende Akzeptanz in der Gesellschaft erfährt, werden viele Menschen von den traditionellen Lehren und Haltungen der Kirche zu diesem Thema abgestoßen. Die Ablehnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen und die Weigerung der katholischen Kirche, gleichgeschlechtliche Ehen anzuerkennen, haben zu Spannungen zwischen der Kirche und vielen ihrer Mitglieder geführt.
Auch der gesellschaftliche Wandel beeinflusst die Beziehung vieler zur Kirche. So werden traditionelle religiöse Dogmen und Glaubensinhalte zunehmend hinterfragt. Viele Menschen suchen nach alternativen spirituellen Wegen, die besser zu ihren eigenen Überzeugungen und Bedürfnissen passen. Zudem hat die fortschreitende Säkularisierung zu einem allgemeinen Rückgang des Einflusses der Kirche in der Gesellschaft geführt.
Auswirkung der Kirchenaustritte
Die steigende Anzahl von Kirchenaustritten in Deutschland hat erhebliche Auswirkungen auf die Kirchen. Der Verlust von Mitgliedern führt zu einem Rückgang der Gottesdienstbesuchenden und der finanziellen Unterstützung. Die Kirchensteuer, eine wichtige Einnahmequelle, schrumpft mit jedem Austritt. Dadurch stehen weniger Mittel für die Erhaltung der Kirchen, Gehälter des Klerus und soziale Projekte zur Verfügung. Es gibt weniger kirchliches Personal, was zur Schließung von Gemeinden und Zusammenlegung von Pfarreien führt.
Die steigende Zahl von Austritten signalisiert eine Kluft zwischen Kirche und Gesellschaft, wodurch die Kirche vor die Herausforderung gestellt wird, ihr Image und ihre Botschaft zu überdenken. Die katholische Kirche versucht durch soziale Arbeit, verstärkten Dialog und Programme für junge Menschen das Vertrauen zurückzugewinnen. Dabei bedarf es kritischer Reflexion und Anpassung, um den gesellschaftlichen Herausforderungen gerecht zu werden und einen konstruktiven Dialog mit den Gläubigen zu ermöglichen.
Von den Auswirkungen der Kirchenaustritte sind auch die Würzburger Kirchen nicht verschont geblieben. Um die beeindruckenden Bauwerke und die spirituelle Atmosphäre der Kirchen zu erhalten, sind sie auf Spenden angewiesen. Trotz der gesellschaftlichen Veränderungen werden die Würzburger Kirchen aber auch weiterhin Gläubige und Besuchende mit ihrer anregenden Atmosphäre und beeindruckenden Architektur begeistern.
Von Anika Kappler, Benedikt Schmitt und Wilhelm Thein