Interview mit Alumni Prof. Dr. Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft
Der 1965 in Würzburg geborene Michael Grömling studierte von 1986 bis 1991 Volkswirtschaftslehre an der Julius-Maximilians-Universität mit dem Abschluss Diplom-Volkswirt. Anschließend war er vier Jahre lang Mitarbeiter am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftsordnung und Sozialpolitik von Prof. Dr. Norbert Berthold. Er promovierte im Jahr 1996 und trat im selben Jahr in das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln ein. Das IW ist ein arbeitgebernahes Wirtschaftsforschungsinstitut, das von Verbänden und Unternehmen der Wirtschaft finanziert wird. Ab 2005 verantwortete er die Forschungsgruppe Konjunktur und seit 2022 ist er Leiter des Kompetenzclusters Makroökonomie und Konjunktur. Seit 2006 ist er außerdem Professor für Volkswirtschaftslehre an der International University IU – seit 2022 am Campus Köln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Konjunktur, Strukturwandel, langfristige wirtschaftliche Entwicklung sowie Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen/Wohlstandsanalysen. Prof. Grömling ist durch seine Mitgliedschaft im Alumni-Verein der JMU noch immer mit uns verbunden.
Wir freuen uns über die erfolgreiche Karriere unseres ehemaligen Studenten und Mitarbeiters. Wir danken Prof. Grömling für die Beantwortung unserer Fragen.
WiWi Fakultät: Was hat Sie bewogen, ein wirtschaftswissenschaftliches Studium an der Universität Würzburg zu absolvieren?
Prof. Grömling: Das war fachlich eine Grundfrage der Volkswirtschaftslehre, mit der ich mich auch heute noch beschäftigen darf: Warum gibt es arme und reiche Länder? Was löst immer wieder wirtschaftliche Krisen aus, welche ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen sind damit verbunden und was kann für eine gute langfristige wirtschaftliche Entwicklung getan werden. Antworten auf diese Fragen habe ich mir vom Studium erwartet – und das hat sich auch gelohnt. Der Studienort Würzburg war eher eine pragmatische Entscheidung. Später bekam ich die Chance, an der Würzburger Uni zu arbeiten und zu forschen.
WiWi Fakultät: Bitte skizzieren Sie kurz Ihre derzeitigen Tätigkeiten.
Prof. Grömling: Nach der Würzburger Zeit ging ich nach Köln ins Institut der deutschen Wirtschaft. Zunächst für ein mehrjähriges Projekt, das sich mit Strukturwandel, Globalisierung und der Zukunft des Standorts Deutschland beschäftigte. Das Arbeiten im IW ist anspruchsvoll und immer zeitrelevant. Das nahm mich mit und nunmehr bin ich bereits 28 Jahre dort. Zu meinen Arbeits- und Forschungsbereichen zählt zum einen die Analyse der konjunkturellen Entwicklung. Da ist immer was los. Zum anderen sind es nach wie vor Fragen zur langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung und zum Strukturwandel. Für mich ein ebenso zeitloses Thema mit der Herausforderung zum permanenten Lernen. Mit diesem Thema war ich auch über viele Jahre im MBA Business Integration an der Würzburger Uni involviert. Im IW sind wir angehalten, volkswirtschaftliche Erkenntnisse für breit gefasste Zielgruppen verständlich aufzubereiten. Zudem habe ich seit 2006 eine Professur für Volkswirtschaftslehre an einer privaten Hochschule. Das junge Umfeld an der IU motiviert zusätzlich, die VWL realitätsnah zu vermitteln.
WiWi Fakultät: 2023 leidet die deutsche Wirtschaft unter einer schwachen Konjunktur. Wie sieht Ihre Prognose für die nächsten Jahre aus?
Prof. Grömling: Infolge vielfältiger Schocks befindet sich die deutsche Wirtschaft schon im fünften Jahr in einer Schockstarre. Der aufkommende Protektionismus hatte bereits 2019 die deutsche Industrie in die Rezession geschickt. Dann kamen die vielfältigen Anpassungslasten durch die Pandemie. Auf die noch immer um Normalisierung ringende Volkswirtschaft wirken nun seit 2022 die Folgen der russischen Invasion in der Ukraine und die damit einhergehenden geoökonomischen Verwerfung ein. In diesem Umfeld tut sich eine handelsorientierte Volkswirtschaft generell schwer. Nun ist zum Jahresende 2023 ein Ende des Krieges in der Ukraine nicht in Sicht. Die weltpolitische Haltung von China, die undurchsichtige Position einer Reihe von Schwellenländern und die Lage im Nahen Osten setzen Fragezeichen hinter die Zugänge zu Rohstoffen und Energie sowie hinter das Funktionieren globaler Lieferketten und wichtiger Absatzmärkte. Die ungewohnt hohe Inflation belastet auch weiterhin den privaten Konsum. In diesem Umfeld bleiben Investitionen schwach. Wir werden uns wohl auch durch das Jahr 2024 durchschleppen und nur wenig von der Stelle kommen.
WiWi Fakultät: Welche grundlegenden Maßnahmen sollten Ihrer Meinung nach ergriffen werden, um die deutsche und die europäische Wirtschaft zu stärken?
Prof. Grömling: Da ist zu unterscheiden, was uns zum einen kurzfristig in Anbetracht der aktuellen Schocks hilft. Zum anderen muss es um die Stärkung unseres Produktionspotenzials gehen. Damit werden die weitere wirtschaftliche Entwicklung und unser Wohlstand abgesichert. Unsere künftigen Produktionsmöglichkeiten werden maßgeblich von den großen Herausforderungen durch Klimawandel, demografischen Wandel und technologischen Wandel bestimmt. All dies wird nur mit vielfältigen öffentlichen und vor allem privatwirtschaftlichen Investitionen zu bewältigen sein. Die Krisen der letzten Jahre haben bereits eine gewaltige Investitionslücke gerissen mit erheblichen Folgen für die künftigen Produktionskapazitäten. Priorität haben alle Maßnahmen, die dazu beitragen, den Wirtschaftsstandort Deutschland und Europa über Investitionen nach vorne zu bringen. Die wirtschaftspolitische Palette reicht von wettbewerbsfähigen Steuern und anderen staatlich beeinflussten Kostenfaktoren (z.B. Bürokratiekosten, Energiekosten) bis hin zu funktionsfähigen Infrastrukturen für Energie, Digitalisierung, Mobilität und natürlich Bildung und Forschung.
WiWi Fakultät: Was würden Sie als Ihre schönste Erinnerung an Ihre Studien- und Promotionszeit an unserer Fakultät bezeichnen?
Prof. Grömling: Das war die Zeit am Lehrstuhl von Norbert Berthold. Der tägliche Gang zur Stadtmensa, die Kaffeerunden am Lehrstuhl mit den mitunter anstrengenden Diskussionen. Und all das in einer lebenswerten Stadt.