Jährlich landen Tonnen von noch essbaren Lebensmitteln in den Müllcontainern der Läden – meist nur aufgrund kleiner Makel oder weil sie sich kurz vor dem Ablaufdatum befinden. Wäre es nicht großartig, diese Mengen zu reduzieren? Genau an diesem Punkt kommt Foodsharing ins Spiel.

Laut der eigenen Webseite setzt Foodsharing seit dem 12.12.2012 ein eindrucksvolles Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung. Die Initiative rettet überschüssige Lebensmittel und verteilt sie kostenlos weiter. Die Produkte haben meist nur ein abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum, beschädigte Verpackungen oder geringfügige Mängel und sind immer noch genießbar. Dank der Beteiligung von Privatpersonen, Supermärkten und Restaurants wird die Initiative täglich zu einem wertvollen Instrument zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen.

Foodsharende: die Helden der Lebensmittelrettung

Ein wichtiger Bestandteil der Foodsharing-Initiative sind die Foodsharerinnen und -sharer – engagierte Freiwillige, die aussortierte oder überschüssige Lebensmittel bei Betrieben abholen und an gemeinnützige Einrichtungen oder Privatpersonen weitergeben. Ausgehend von der Gesamtstatistik der Foodsharing-Website wächst diese Gemeinschaft stetig an und verzeichnet aktuell weltweit insgesamt über 627.400 aktive Lebensmittelretterinnen und -retter. Alle Beteiligte vereint die Vision, eine Welt ohne Lebensmittelverschwendung zu schaffen.

Wer Teil der Organisation werden möchte, muss zunächst einige Voraussetzungen erfüllen: Man muss mindestens 18 Jahre alt sein, die Grundlagen des Hygienewikis kennen und ein Quiz mit zehn bis 20 Fragen erfolgreich absolvieren. Doch keine Sorge – diese formalen Hürden sind leicht zu überwinden und dienen lediglich dazu, die Prinzipien und Verhaltensregeln des Foodsharings zu verstehen und zu respektieren.

Auch Luisa Bachmann ist seit mehreren Jahren als ehrenamtliche Foodsharerin in der Stadt Würzburg tätig. Wir haben sie bei ihrer Abholung begleitet.

Wie läuft eine Abholung ab?

Es ist ein schöner Sommerabend in Würzburg. Während viele Stadtbewohnerinnen und -bewohner den Tag am Main ausklingen lassen, packt die 27-jährige Luisa ihre Taschen für eine besondere Mission und macht sich auf den Weg in die Innenstadt. Ihr Ziel: das Restaurant Kadöffl in der Eichhornstraße. Dort wird sie nicht Essen gehen, sondern eine Foodsharing-Abholung erledigen.

Kurz nach 18 Uhr kommt sie mit ihrem Fahrrad an und betritt den leeren Laden. Chef Drilon Hoxhaj putzt bereits hinter der Theke die Arbeitsflächen, um das Restaurant für den nächsten Tag vorzubereiten. Diese Szene ist ihr als Foodsharerin vertraut, weshalb sie unbeirrt zur Theke läuft. Mit ihrem Foodsharing-Ausweis stellt sie sich vor und wird von Drilon begrüßt: „Super, dass du da bist. Wir haben heute noch einiges übrig. Warte kurz, ich hole die Sachen.“ Er bringt eine große Warmhaltebox mit gekochten und teilweise gefüllten Ofenkartoffeln. Während Luisa die Kartoffeln einpackt, unterhalten sich die beiden.

Wie der Kadöffl-Chef berichtet, ist Foodsharing auf mehrere Weisen eine Bereicherung für sein Restaurant: „Wir freuen uns immer sehr, wenn für die Kartoffeln noch eine gute Verwendung gefunden werden kann und sie nicht weggeschmissen werden müssen.“ Vorher habe er zwar auch selten etwas entsorgen müssen, weil sie die Reste meistens unter den Mitarbeitenden haben aufteilen können. „Trotzdem gab es natürlich Tage, an denen die Mengen einfach zu groß für uns waren.“ Er fügt hinzu, dass die Kundinnen und Kunden ebenfalls sehr begeistert seien, weil es bei Kadöffl „wirklich um die Lebensmittel geht und nicht um das Geld“.

Nachdem sie alles eingepackt hat, verabschiedet sich Luisa und verlässt den Laden mit vollen Taschen. Draußen verstaut sie die Lebensmittel auf ihrem Fahrrad und betrachtet ihre Ausbeute: Rund 30 Ofenkartoffeln hat sie vor dem Müll gerettet, was sie mit Freude erfüllt, denn jede davon wird eine Mahlzeit für jemanden werden.

Wie geht es danach weiter?

Da die 27-Jährige nicht alle Kartoffeln selbst verwerten kann, hält sie auf dem Rückweg an einem der vier Würzburger Fairteiler und spendet einen Teil der geretteten Lebensmittel. Diese öffentlichen Kühlschränke werden von der Foodsharing-Community gepflegt und sind für alle Menschen zugänglich.
Zu Hause angekommen, meldet sie auf der Foodsharing-Webseite, dass der Fairteiler wieder gefüllt ist. Während den Öffnungszeiten können alle Interessierten vorbeischauen. Das Angebot ist besonders bei Bedürftigen oder Studierenden sehr beliebt, aber auch Berufstätige greifen gerne darauf zurück. Es lohnt sich jedoch, schnell zu sein – die Lebensmittel sind meistens nach wenigen Stunden vergriffen.

Den anderen Teil der Kartoffeln bewahrt Luisa in ihrem Kühlschrank auf. Sie plant, ihren Freundinnen und Freunden am nächsten Tag eine Freude zu machen, indem sie die Kartoffeln mit ihnen teilt. Was danach noch übrig ist, wird sie selbst verwerten. „Aus den übrig gebliebenen Kartoffeln lassen sich noch so viele verschiedene Gerichte zaubern“, schwärmt sie. „Bratkartoffeln, Kartoffelsalat oder sogar leckere Gnocchi. Bei der Wiederverwertung von Lebensmitteln sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.“

Schnippelpartys: Kreativität gegen Lebensmittelverschwendung

Luisa bekommt viele ihrer Ideen zur Wiederverwertung von Lebensmitteln auf den Schnippelpartys. Diese monatlichen Kochevents werden von Foodsharing unterstützt und bieten Interessierten die Möglichkeit, vegetarische Gerichte aus überschüssigen oder optisch nicht perfekten Lebensmitteln zuzubereiten. „Es ist beeindruckend, wie viele verschiedene Gerichte aus geretteten Lebensmitteln zubereitet werden können. Von Suppen und Salaten über leckere Hauptgerichte bis hin zu Nachspeisen war eigentlich alles schon mal dabei“, erzählt Luisa. Die Veranstaltungen sind gut besucht und vereinen Menschen unterschiedlicher Altersgruppen und Hintergründe, die das gemeinsame Ziel teilen: Lebensmittelverschwendung zu bekämpfen und die Gemeinschaft zu stärken.

Neben Fairteilern und Schnippelpartys sind auch Essenskörbe ein wichtiger Teil der Foodsharing-Initiative. Sie stehen symbolisch für die Solidarität innerhalb der Community und werden von Foodsharenden zusammengestellt und über die Webseite angeboten. Oft handelt es sich um Lebensmittel, die nahe am Verfallsdatum sind, aber immer noch problemlos verwendet werden können. Die überschüssigen Lebensmittel können direkt bei den Foodsharerinnen und -sharern abgeholt werden. „Oft nehmen sich die Abholenden auch Zeit für ein kurzes Gespräch. Hierdurch konnte ich schon viele Bekanntschaften schließen und gleichzeitig einen Einblick bekommen, an wen die Lebensmittel weitergegeben werden. Es ist so schön zu sehen, wie sich andere über die Lebensmittel freuen“, sagt Luisa.

Mitmachen und einen Unterschied bewirken

Der Einstieg in die Foodsharing-Community ist unkompliziert und für alle zugänglich. Interessierte können sich auf der Foodsharing-Webseite (foodsharing.de) registrieren und nach Bestehen des Foodsharer-Quiz selbst aktiv werden. Neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer absolvieren zunächst drei Einführungs-Abholungen, bei denen ihnen alles erklärt wird. Nach erfolgreicher Teilnahme an diesen sogenannten „EinAbs“ erhalten sie einen persönlichen Foodsharing-Ausweis und können sich für Abholungen in Betrieben einschreiben. Luisa ermutigt alle Interessierten: „Es ist ganz einfach und jede Hilfe zählt. Ob einmal im Monat oder jede Woche – jede gerettete Kartoffel, jedes gerettete Brot macht einen Unterschied. Gemeinsam können wir wirklich viel bewegen.“

Von Sina Ehrsam und Gizem Kocagöl

Good to know:
Neben Foodsharing gibt es noch weitere Organisationen, die sich mit der Rettung überschüssiger Lebensmittel auseinandersetzen. So gibt es beispielsweise die App „Too Good To Go“, über die Nutzerinnen und Nutzer unverkaufte Lebensmittel zu reduzierten Preisen von Restaurants, Bäckereien und Supermärkten erwerben können. Laut der Webseite von Too Good To Go haben 75 Millionen weltweit registrierte Nutzerinnen und Nutzer bereits mehr als 200 Millionen Mahlzeiten gerettet.
Alternativ gibt es noch die „Tafeln“, welche noch verwertbare, überzählige und zu viel produzierte Lebensmittel sammeln und unentgeltlich an Bedürftige abgeben.