Einer Verbindung angehören, das kennen die meisten nur von Männern. Doch auch für Studentinnen gibt es solche Vereinigungen. Ein Blick hinter die Kulissen der AV Athenia zeigt die besonderen Prinzipien des ältesten Damenbunds Würzburgs.
Hatten Sie auch schon einmal Probleme, sich für das Lernen zu motivieren und haben nach Lernpartnerinnen und Lernpartner zur gegenseitigen Motivation und Hilfestellung gesucht? So erging es auch Nathalie Kramer, bevor sie die AV Athenia, die älteste Damenverbindung in Würzburg, kennenlernte. Was sie dort fand, war weitaus mehr als nur eine Lerngruppe.
Was ist eine Studentenverbindung, beziehungsweise die AV Athenia?
Laut Michéle Buchhorn, Vorstandsvorsitzende der AV Athenia, versteht man unter einer Damenverbindung die Zusammenkunft von Studentinnen, die sich im Studentenleben und im Alltag unterstützen. Der Aufbau der AV Athenia, welche 1994 gegründet wurde, ist vergleichbar mit typischen Vereinsstrukturen. Ihre Mitglieder bestehen aus Studentinnen sowie Absolventinnen der Hochschulen in Würzburg. Die Prinzipien der Verbindung sind Freundschaft, Toleranz und Wissenschaftlichkeit, wie aus der Website hervorgeht.
Nathalie Kramer und Michéle Buchhorn erzählen, dass diese Prinzipien in der Athenia gelebt werden und für starken Zusammenhalt sorgen. Außerdem schaffen sie damit aus vielen unterschiedlichen Charakteren, mit verschiedenen Hintergründen und bunt gemischten Studiengängen, eine harmonische Verbindung zwischen den Mitgliedern. „Durch dieses Zusammenleben schaffen wir es, viele heterogene Damen zu einer homogenen Gemeinschaft zusammenzuschweißen“, sagt Buchhorn.
Als Wiedererkennungsmerkmal tragen die meisten Verbindungen ein Band um ihre rechte Schulter. Die Farben des Bandes der AV Athenia sind dunkelblau, weiß und dunkelgrün. Sie stehen für verschiedene Eigenschaften, wie zum Beispiel das Lebensbundprinzip.

Kramer erzählt, dass die aktiven – noch studierenden – Mitglieder das Semester nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten dürfen. Beispiele hierfür sind eine Cocktailparty, Stadtführungen oder Lasertag, aber auch traditionelle Feste wie das Feiern des Semesterbeginns und -endes dürfen in der Planung nicht fehlen.
Die Rollen und Aufgaben der Chargen in der AV Athenia
Diese Veranstaltungen müssen geplant werden. Dafür gibt es in unregelmäßigen Abständen sogenannte Convente, bei denen sich alle Mitglieder versammeln, um über die aktuellen Themen zu sprechen und die kommenden Veranstaltungen zu planen. Darauf werden dann die Chargen, sozusagen das intern leitende Komitee des aktuellen Semesters, mit ihren Aufgaben vertraut gemacht. Die höchste Charge, der Senior, stellt die Hauptverantwortliche dar und ist für die Leitung der Veranstaltungen zuständig. Der Consenior ist für die Organisation verantwortlich und der Schriftwart für den Schriftverkehr, damit auch alle Mitglieder immer auf dem aktuellen Stand sind.
Eine besondere Rolle nimmt der Fuxmajor ein. Sie ist für die neuen Mitglieder, die Fuxen, da und hilft ihnen im neuen und unbekannten Verbindungsleben Fuß zu fassen und steht für jede Frage mit Rat und Tat zur Seite. Die Chargenbezeichnungen sind feststehende Begriffe und gehen nicht auf das Geschlecht ein. Kramer hatte bereits zweimal die Charge des Fuxmajors inne. Die Aufgaben bereiteten ihr viel Freude und sie konnte passend zu ihrem Lehramtstudium lernen, wie sie Informationen am besten und verständlichsten an andere vermitteln kann. Der Fuxmajor trägt außerdem ein zweites Band, das Band des Fuxen, um ihre Rolle nach außen zu verdeutlichen. Dem Fuxenband fehlt die weiße Farbe in der Mitte, da die neuen Mitglieder erstmal eine Art Probezeit durchlaufen, bei der sich alle kennenlernen können. Die neuen Mitglieder lernen in dieser Zeit aber nicht nur die anderen Athenen kennen, sondern eignen sich hierbei auch das Wissen über Verbindungen an und sind somit auch noch nicht verpflichtet, eine feste Aufgabe zu übernehmen.

Verantwortung und Zusammenhalt: Was Kramer an der AV Athenia schätzt und kritisiert
Freundschaft, Toleranz und Wissenschaftlichkeit – die Prinzipien der AV Athenia würden täglich gelebt, sagt Kramer: „Nicht wie bei einer Chipstüte, in der nur die Hälfte des versprochenen Inhaltes enthalten ist.“ Kramer konnte bei der Athenia schnell enge Freundschaften schließen und Verantwortung übernehmen. Auf ihrem Weg war sie nie allein, sie wurde stets im Studium, bei Themen wie der Zulassungsarbeit oder im Privatleben unterstützt. Freitags gibt es beispielsweise den hauseigenen Lernstammtisch, bei dem sich die Mitglieder gegenseitig motivieren und unterstützen.
Nathalie tröstet außerdem der Gedanke, dass sie auch nach ihrem bald beendeten Studium immer wieder zur Athenia nach Würzburg zu Veranstaltungen oder gemeinsamen Aktivitäten kommen kann. Die Freundschaften, die die Mitglieder während ihrer Studienzeit innerhalb der verschiedenen Verbindungen schließen, werden gerne durch den Tausch eines sogenannte „Zipfels“ verewigt. Im Prinzip sind diese wie ein Freundschaftsarmband, mit welchem man eine schöne Zeit oder ein besonderes Erlebnis festhält.

Außerdem biete Athenia eine gute Möglichkeit auch außerhalb der eigenen Fakultät neue Leute kennenzulernen. Man könne, sagt Kramer, nicht nur außerhalb des eigenen Studiengangs neue Freundschaften knüpfen, sondern auch durch angebotene Veranstaltungen anderer Verbindungen in andere Städte oder Länder reisen und so einen Blick über den Tellerrand werfen, wenn nicht sogar über den ganzen Tisch.
Als Nachteile sieht Kramer den phasenweisen großen Zeitaufwand durch die Planung der Veranstaltungen während des laufenden Semesters. Zudem die ständige Konfrontation von Außenstehenden mit Vorurteilen.
Konfrontation der Vorurteile über das Verbindungswesen
Die Sicht auf die Verbindungsszene sei geprägt von Vorurteilen, erzählt Kramer. Viele davon entsprächen nicht der Wahrheit oder seien, wenn überhaupt, nur in wenigen Männerbünden in weit zurückreichender Geschichte zu finden.
Durch die Bräuche und Traditionen komme oft die erste Intuition von einem veralteten und sogar elitären Weltbild auf. Buchhorn erwidert daraufhin lachend: „Wir sind moderne, emanzipierte Frauen, deren Vorbilder auch die Vorkämpferinnen der Gleichberechtigung sind.“ Bei ihnen könne jede Frau aktiv mitmachen, unabhängig von Religion, Hautfarbe, Nationalität oder sexueller Orientierung. Außerdem sagt Buchhorn: „Athenen kommen aus den unterschiedlichsten Elternhäusern, Akademiker und Nichtakademiker – wie sollen wir da elitär sein?“
Nach Aussagen der Fachinformationsstelle für Rechtsextremismus München werden Studentenverbindungen immer wieder mit rechtsextremen Aktivitäten und Gedanken in Zusammenhang gebracht. Aufgrund der langen Existenz des Studentenverbindungswesens mögen diese Vorurteile auf manche einzelnen Gruppierungen zutreffen, jedoch haben sich bei Athenia der akademische Gedanke, Zusammenhalt und die Freundschaft über diese Verallgemeinerungen gestellt und völlig neue und eigene Traditionen für sich gefunden.
Oft bekommt man auch durch die Medien suggeriert, dass in Studentenverbindungen in Übermaßen Alkohol konsumiert wird. Kramer erklärt, dass bei der Athenia niemand zum Trinken gezwungen werde. Auf einer Cocktailparty gehöre für viele Alkohol dazu, jedoch biete Athenia immer alkoholfreie Varianten an. Alkoholkonsum in der Verbindung zu verurteilen, findet Kramer falsch, da auch im privaten Umfeld und auf Partys getrunken werde. Die Athenen würden in dieser Hinsicht sehr aufeinander achten und unterstützten Alkoholismus nicht.
Ein allgemeines Klischee sei auch, dass die meisten Verbindungen ihre Mitglieder nur durch die Zimmersuche generieren würden. Buchhorn erklärt, dass sie gar kein eigenes Haus hätten, sondern nur Untermieter bei einem Männerbund seien, bei welchem sie durch ein gutes, freundschaftliches Verhältnis zwei Zimmer vermieten dürften. Für Veranstaltungen dürften sie nach Absprache ebenfalls die großen festlichen Räumlichkeiten nutzen.
Natürlich kommen über die Zimmersuche auch Mitglieder, aber der Zugang zu Athenia sei auch sonst nicht schwer. Das Motto sei, erzählt Buchhorn: „Lernt uns kennen, wir haben nichts zu verbergen! Wir hatten in der Vergangenheit stets das Glück, dass wir bezaubernde junge Damen gefunden oder besser, diese sogar den Weg zu uns gefunden haben.“
Von Victoria Liebrecht und Sarah Schenker