Das Hallenlicht flackert, das Dribbeln des Balls hallt durch die Stille. Julius Böhmer trainiert bis spät in die Nacht – wenige Stunden später sitzt er im Hörsaal. Profisport und Studium gleichzeitig meistern? Ein täglicher Balanceakt.
22 Uhr – die Sporthalle erstrahlt im hellen Licht, das Quietschen der Schuhe und das Echo des aufprallenden Balls durchbrechen die Stille. Julius Böhmer steht an der Dreierlinie, atmet tief durch, wirft, und trifft. Noch ein paar Minuten, dann endet die Trainingseinheit. „Wenn ich abends nach Hause komme, bin ich oft total erschöpft“, erzählt er.
Trotzdem bleibt keine Zeit zum Durchatmen: Wenige Stunden später tauscht er den Basketball gegen den Stift und sitzt im Hörsaal, die Vorlesungsunterlagen vor sich.

Der 23-jährige ist Profi-Basketballer bei den FIT/One Würzburg Baskets und zusätzlich Student der Wirtschaftswissenschaften an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. Sein Alltag: ein Balanceakt zwischen zwei Welten, die beide Höchstleistungen fordern. Seit einer schweren Verletzung im Playoff-Viertelfinale gegen Ratiopharm Ulm letztes Jahr kämpft er um sein Comeback, während das Studium weiterläuft.
Alltag zwischen Studium und Profisport
Heute ist Julius Böhmer bereits um sieben Uhr im Auto, auf dem Weg zur Physiotherapie nach Schweinfurt. Dort arbeitet er gezielt an seiner Beweglichkeit, stärkt die Muskulatur und stabilisiert sein Knie. Alles unabdingbar, um wieder volle Leistung auf dem Spielfeld zu bringen, sagt er. Direkt im Anschluss geht es weiter zur Universität.

Im Hörsaal dann Makroökonomie, Statistik, Zivilrecht: Die Vorlesungen ziehen sich oft bis in den Nachmittag. Zwischen den einzelnen Modulen bleibe kaum Zeit für Erholung, stattdessen nutze er freie Minuten für schnelle Mahlzeiten oder Lernphasen in der Bibliothek. Die Tage seien oft genau durchgetaktet, jede Stunde müsse sinnvoll genutzt werden.
Mit dem Ende der Uni dann der zweite Teil seines Alltags: Training, Krafteinheiten und Videoanalysen.
Der Fokus liege auch während der Klausurenphase weiterhin auf beiden Bereichen. „Fast alle meine Teamkollegen sind Vollzeitprofis, da gibt es keine Ausnahmen. Egal ob Prüfungsstress oder nicht, ich muss immer 100 % geben“.
Und: Profibasketball erfordere eine hohe Reisebereitschaft. Während andere Studierende ihre Prüfungsphasen langfristig planen könnten, sei er häufig mehrere Tage für Auswärtsspiele unterwegs. Typischer Ablauf: Freitagmorgen Vorlesung, Freitagabend Abfahrt mit dem Mannschaftsbus, Samstag Spiel, Sonntag Rückreise.
Am Montag beginne dann wieder der Uni-Alltag. Als größte Herausforderung beschreibt er, dass die Universität darauf keine Rücksicht nehme. Prüfungen fänden statt, unabhängig davon, ob ein wichtiges Spiel oder eine mehrtägige Auswärtsreise anstehe: „Ich habe häufig Prüfungen im Teambus vorbereitet, auf Hotelzimmern gelernt und in freien Minuten Skripte durchgearbeitet“, erzählt Julius. Der Aufwand bleibe hoch: Nachschreibetermine führten zu zusätzlicher Belastung und verkürzten Erholungsphasen.
Ernährung, Energie und mentale Stärke – Die richtige Balance finden
Ein Profisportler verbrennt täglich Tausende Kalorien, eine ausgewogene Ernährung in den Tagesablauf zu integrieren, stellt dabei eine zusätzliche Herausforderung dar. Die Mensa ist für Julius nicht immer eine Lösung, da dort oft fettige Gerichte angeboten würden, die wenig Eiweiß enthielten. „Ich muss oft selbst vorkochen oder greife zu schnellen Alternativen wie Proteinshakes“, erklärt Böhmer.
Die richtige Ernährung sei entscheidend für seine Leistungsfähigkeit. Ein Mangel an Nährstoffen könne zu längeren Regenerationszeiten, Erschöpfung und einem erhöhten Verletzungsrisiko führen. Aus diesem Grund halte er sich an feste Essensroutinen. „Aber manchmal bleibt keine Zeit – dann gönne ich mir auch mal eine Currywurst mit Pommes in der Mensa“, sagt er.
Neben der physischen Anstrengung spiele auch die mentale Belastung eine bedeutende Rolle. Der Druck, immer Leistung bringen zu müssen, begleite ihn ständig. „Manchmal fragst du dich: Warum tue ich mir das an?“, gibt Julius zu. Besonders nach seiner Verletzung seien die Zweifel groß gewesen. Während seine Teamkollegen weitertrainierten, habe er mehrere Wochen in der Reha verbringen müssen.
Doch der Sport habe ihn gelehrt, Rückschläge zu akzeptieren. „Es geht nicht darum, ob du fällst, sondern ob du wieder aufstehst.“ Man merkt, dieser Ehrgeiz treibt ihn an: „Es gibt Tage, da ist alles zu viel. Aber genau dann erinnere ich mich daran, warum ich angefangen habe“, sagt Böhmer.
Seine mentale Stärke helfe ihm nicht nur im Sport, sondern auch im Studium. In Zeiten hoher Arbeitsbelastung, wie während der Prüfungsphase, unterstütze ihn die im Sport erlernte Disziplin.
Allerdings müsse er die Anforderungen nicht allein bewältigen. Sein Umfeld übernehme dabei eine wichtige Funktion: Familie und Freunde trügen dazu bei, den Balanceakt zu meistern. Während der Saison, insbesondere bei Auswärtsspielen, leisteten Mitstudierende Hilfe: „Es macht einen riesigen Unterschied, wenn dir jemand Mitschriften schickt oder dir nach einer verpassten Vorlesung die wichtigsten Punkte erklärt“, sagt er.
Nach einem langen Trainingstag oder einer stressigen Prüfungsphase sei es für ihn auch wichtig, abzuschalten. „Es gibt Momente, da brauchst du eine Pause. Dann hilft es, mit Freunden abends in eine Bar zu gehen und den Kopf freizubekommen.“ Diese Auszeiten hätten für ihn einen ähnlichen Stellenwert wie Training und Studium.
Am Ende zähle für ihn nicht nur Disziplin, sondern auch das richtige Umfeld. „Ohne Unterstützung wäre das alles kaum machbar“.

Was kommt nach dem Sport?
Eine Karriere im Profisport ist mit Unsicherheiten verbunden. Verletzungen, hohe Konkurrenz und ständiger Leistungsdruck machen eine langfristige Planung schwierig. Julius ist sich dessen bewusst und verfolgt deshalb gezielt eine zweite Karriereoption: „Vielleicht gehe ich ins Sportmanagement, vielleicht in eine andere wirtschaftliche Richtung. Aber ich will vorbereitet sein“, sagt er. Sein Studium sei für ihn mehr als nur ein Plan B, eher eine bewusste Investition in die Zukunft: „Wenn ich den Sport irgendwann aufgeben muss, will ich trotzdem eine Perspektive im Leben haben“.