In einem aktuellen YouTube-Video des Kanals „Was kostet die Welt?“ von Funk äußert sich Prof. Dr. Frédéric Thiesse, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Systementwicklung, zur wirtschaftlichen Situation von Schnell-Lieferdiensten wie Flink und Gorillas. Darin zeichnet er die Entwicklung und Schwächen des sogenannten „Quick Commerce“ nach – und prognostiziert ein schwieriges Marktumfeld für Anbieter wie Flink.

Die Idee hinter Diensten wie Gorillas oder Flink war zunächst vielversprechend: Innerhalb weniger Minuten sollten Kunden frische Lebensmittel direkt nach Hause geliefert bekommen – möglich gemacht durch ein Netz kleiner, innenstadtnaher Lagerhäuser, sogenannter „Dark Stores“. Laut Professor Thiesse war der Lebensmittelhandel einer der Bereiche, bei dem man schon lange auf alternative Lösungen zum klassischen Einkaufen gewartet hatte. Und mit dem Geschäftsmodell der Schnell-Lieferdienste war dieser Dominostein gefallen. Was 2020, inmitten der Corona-Pandemie, auf großes Interesse stieß, entwickelte sich rasant zu einem von Investoren massiv geförderten Wettlauf um Marktanteile. Während Gorillas auf hyperaggressives Wachstum setzte und in kürzester Zeit europaweit expandierte, verfolgte Flink einen vorsichtigeren Kurs – mit Fokus auf Effizienz in den bestehenden Märkten.

Doch mit dem Ende der pandemiebedingten Sonderkonjunktur und der damit verbundenen Stagnation im Online-Lebensmitteleinkauf gerieten beide Anbieter unter Druck. Insbesondere Gorillas kämpfte mit hohen laufenden Kosten und musste sich nach mehreren Einschnitten 2022 schließlich aus zahlreichen Märkten zurückziehen. Anfang 2024 beendete dann auch der einstige Käufer Getir seine Aktivitäten in Europa – Flink ist seither der letzte verbleibende Anbieter in Deutschland.

Doch hat sich Flink damit am Markt durchgesetzt? Prof. Thiesse verneint: „Durchgesetzt ist vielleicht der falsche Begriff – sie sind halt übrig geblieben.“ Zwar hält Flink aktuell geschätzt rund 80 % Marktanteil, doch von einem profitablen Geschäftsmodell ist das Unternehmen weit entfernt. Drei zentrale Gründe spielen hierbei eine wichtige Rolle: erstens hohe Mietkosten durch Innenstadtlagen, zweitens hohe Personalkosten durch die Vorhaltung von Fahrern, und drittens die geringe Zahlungsbereitschaft der deutschen Kundschaft im Lebensmittelsektor. „Die Deutschen sind halt Pfennigfuchser“, kommentiert Thiesse treffend.

Thiesse zeigt sich außerdem skeptisch, ob das Modell per se tragfähig und Flink unter diesen Rahmenbedingungen langfristig überlebensfähig ist. Sollte sich allerdings die strategische Partnerschaft mit Rewe vertiefen – 2024 investierte die Supermarktkette rund 44 Millionen Euro in Flink – könnte ein Umbau unter dem Dach von Rewe dem Modell eine neue Perspektive eröffnen.

Das vollständige Video mit Professor Thiesse ist online auf YouTube verfügbar.

Prof. Dr. Frédéric Thiesse (Bild: Philipp Endemann)