Linguistische, kulturelle und bildungsbezogene Hürden sind einige der Herausforderungen, denen internationale Studierende begegnen. Das wissen Linh und Martin, die seit mehreren Jahren Teil der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät sind und einen Anpassungsprozess an die deutsche Kultur und das System durchlaufen haben.

Wir haben alle schon einmal eine Fremdsprache gehört, wenn wir durch die Flure der neuen Uni laufen. Wir fragen uns: Welche Sprachen sind das? Wer sind die Leute, die sie sprechen? Woher kommen sie?
In den letzten Jahren hat sich die Anzahl internationaler Studierender an deutschen Universitäten kontinuierlich erhöht. Die Zahl der internationalen Studierenden ist laut Statistiken des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) seit 2015 um mehr als 100.000 auf fast eine halbe Million Studierende im Jahr 2022/23 gestiegen. Sie bereichern die Universitäten durch kulturelle Vielfalt und neue Perspektiven. Trotzdem bleiben die Erfahrungen dieser Studierenden oft im Verborgenen. Zeit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.
Vom Heimatland nach Würzburg
Es gibt viele Gründe, warum internationale Studierende nach Deutschland kommen: die Stabilität der Wirtschaft, bessere Jobchancen und der aktuelle Beruf der Eltern sind nur ein paar Argumente. Martin Jakel (22) kam vor vier Jahren von Chile nach Deutschland, weil seine Familie aus beruflichen Gründen hierher gezogen ist. „Der Beruf meines Vaters hat mir die Gelegenheit gegeben, hier mein Studium zu beginnen. Man weiß ja, dass ein Studium in Deutschland höher angesehen ist als in vielen anderen Teilen der Welt”, sagt er.
Bei Linh Tong (24) war es anders. Ihre Kernfamilie lebt derzeit noch in Vietnam und hat sie mit dem Unternehmertum in Berührung gebracht, da sie Eigentümer ihres eigenen Geschäfts sind. Dass ihre Tanten in Deutschland wohnen, erleichterte ihr die Wahl des Landes, jedoch war der Hauptgrund für ihre Entscheidung die Studiengebühren. Hier wird das Studium staatlich finanziert und macht es dadurch sowohl für ausländische als auch einheimische Studierende erschwinglicher.
Die Entscheidung für Deutschland: Vorteile des Bildungssystems
Martin und Linh sind beide seit einiger Zeit in Deutschland. Bereuen sie ihre Entscheidung? “In Chile wird alles vorgegeben, es ist fast wie in der Schule, sehr hierarchisch: man muss einfach dem Lehrer folgen, um gute Leistungen zu erbringen, sodass man sich nicht behaupten muss“, sagt Martin. Er würde sich zu 100 Prozent wieder für Deutschland entscheiden, weil es hier viel mehr Spielraum gebe, um das Studium flexibel zu gestalten: “Hier bekommt man eine bessere Vorbereitung für das berufliche Leben und ein besseres Verständnis von der Welt durch die Übernahme von Verantwortung.”
Linh würde auch Deutschland erneut als Studienort wählen. Sie hob hervor, dass die Ausbildung an öffentlichen Universitäten hier sowohl qualitativ hochwertig als auch kostengünstiger als in Vietnam sei. Zudem böten die Universitäten zahlreiche Praktikumsmöglichkeiten und Verbindungen zu führenden Unternehmen, was die beruflichen Perspektiven nach dem Abschluss deutlich verbessere.
Anpassung und Zusammenleben
Integration bedeutet, Hindernisse zu überwinden. Für Neulinge kann jedoch die Begegnung mit einer neuen Kultur und einem neuen Bildungssystem einschüchternd sein.
An der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Würzburg sind Bachelor-Studiengänge nicht vollständig auf Englisch studierbar, was für nicht-deutschsprachige Studierende eine besondere Herausforderung darstellt. Um dieses Problem zu lösen, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2017 fast 900.000 Euro in das Projekt „Sprachkompetenzen und Studienerfolg bei Bildungsausländern“ investiert. In einem Interview für das Jahrbuch BLICK der Universität Würzburg erwähnte Prof. Dr. Wolfgang Lenhard, akademischer Direktor des Lehrstuhls Psychologie IV: „Rund 40 Prozent der Bachelor-Studierenden, die nicht aus Deutschland stammen, brechen ihr Studium ab.”
Laut Prof. Dr. Lenhard wollte das Forschungsteam aus Leipzig und Würzburg im Zuge der Studie Hilfen entwickeln, die es Studierenden aus anderen Ländern etwas einfacher machen, im deutschen Hochschulsystem zurechtkommen. Ziel des Projektes war es, die Gründe für die hohe Abbruchquote zu ermitteln und Maßnahmen zu entwickeln, um sie zu senken. 600 Studierende mit ausländischen Wurzeln wurden drei Jahre lang begleitet, um ihre Hürden zu identifizieren: Stärken und Schwächen der Bildungsausländer zu kennen, ist der Ausgangspunkt für die Entwicklung gezielter Fördermaßnahmen.
Vier Bereiche für den Studienerfolg wurden bei dem Projekt analysiert:
- Sprachliche Kompetenz
- Hürde der Wissenschaftssprache: Mitschreiben in Vorlesungen und Schreiben von Klausuren
- Institutionelle und soziale Integration
- Lernstrategien für Bildungserfolg
Linh und Martin haben beide festgestellt, dass am Anfang besonders die Sprache für sie ein großes Problem war. Martin erzählte von Situationen, in denen er bei Prüfungen die Aufgaben nicht richtig verstanden habe, weil ihm die Bedeutung einiger Wörter unbekannt gewesen sei. Linh fügte hinzu, dass sie sich doppelt so sehr anstrengen müsse, um den Unterricht zu verstehen und zu bestehen. Dies bestätigt die Sprachbarriere für internationale Studierende. Linh und Martin lernen beide seit mehreren Jahren Deutsch und betonen, dass sie sich kontinuierlich bemühen müssten, um ihre Sprachkenntnisse weiter zu verbessern.
Auch im Bereich sozialer Integration gibt es Schwierigkeiten. So sind die Menschen hier laut Linh und Martin kälter und zurückhaltender, was es schwieriger macht, Freundschaften zu schließen oder Kontakte zu knüpfen. Die beiden schlagen vor, eine offene und geduldige Einstellung zu bewahren, um sowohl akademisch als auch sozialen Erfolg zu haben.

Um ausländischen Studierenden das Leben und Studieren in Würzburg zu erleichtern, kümmert sich die Universität Würzburg intensiv um das Wohl ihrer ausländischen Studierenden. Sie bietet eine breite Palette von Unterstützungsprogrammen und -diensten an, wie die Studierendeninitiative Deutschkurs, das International Office und das Mentoring-Programm. Diese Programme können von ausländischen Studierenden als Hilfsmittel genutzt werden, um die Integration zu erleichtern. Auch Einheimischen bieten sie spannende Einblicke in andere Kulturen und fördern den interkulturellen Austausch.

Von Alison Rios Guerra und Andrea Isella Vicente Sasaki