In ihrer aktuellen Studie „Regionalentwicklung und Regionalpolitik im Lichte von NIMBY“ stellen Katja Gehr und Prof. Michael Pflüger einen neuen, polit-ökonomischen Ansatz der Stadt- und Regionalentwicklung vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Interessen städtischer „Insider“, also der bereits ansässigen Bevölkerung, die weiteren Zuzug nur soweit toleriert, bis sich die Vor- und Nachteile von Neuankömmlingen gerade die Waage halten.  Die entsprechenden Stadtgrößen werden durch NIMBY-Regulierungen ( „Not In My Backyard“) begrenzt, die in der Praxis vielfältig sein können (Bauflächenbegrenzungen, Zonierungen, Regulierungen der Nachverdichtung Gebäudehöhen, exzessive Grünflächen u.a.). Je attraktiver eine Stadt ist, umso schärfer müssen diese Zuwanderungsbarrieren ausfallen, um potentielle Neuankömmlinge abzuschrecken.

Ein auf Basis dieses polit-ökonomischen Ansatzes entwickeltes quantitatives Modell für Deutschland, welches umfangreiche Mikrodatensätze verwendet, und 264 urbane Räume gemäß einer Klassifizierung des Bundesinstituts für Bau- Stadt- und Raumforschung zugrunde legt, liefert eine Hierarchie deutscher Städte: Bewohner Erlangens erreichen die höchste Wohlfahrt, gefolgt von jenen in München, Böblingen und Frankfurt. Von den ‚Top 7‘-Ballungsräumen, die in Deutschland besondere Aufmerksamkeit erfahren, folgen Stuttgart an Position 7, Düsseldorf an 13, Köln an 24, Hamburg an 28, und Berlin an Stelle 123. Dazwischen befinden sich kleinere Städte, z.B. Ingolstadt und Wolfsburg, die wie Erlangen und Böblingen Standorte wichtiger Unternehmen sind. Städte wie Freiburg und Würzburg rücken trotz hoher Mieten und keineswegs überragender Durchschnittseinkommen aufgrund ihrer Lebensqualität in der Platzierung nach vorne.

Der neue Ansatz steht im Kontrast zum in der Regionalanalyse und Politikberatung gegenwärtig dominierenden Paradigma des räumlichen Gleichgewichts, welches impliziert, dass sich Wohlfahrtsunterschiede zwischen Regionen durch die Mobilität der Arbeitskräfte in der Erwartung ausgleichen, so dass sich kein Individuum durch eine Wanderung besserstellen kann. Dadurch liefert der neue polit-ökonomische Ansatz auch neue Einsichten für die Regionalpolitik: Die Wohlfahrtsdifferentiale zwischen den Städten haben zur Folge, dass Regionalpolitiken, mit denen NIMBY-Regulierungen abgebaut werden, sowohl Effizienzgewinne generieren – die Gesamtwohlfahrt steigt –, und zugleich regionale Wohlfahrtsdifferentiale abbauen, dass also Effizienz und Verteilung Hand in Hand gehen können.

Der Artikel ist in der Zeitschrift „Wirtschaftsdienst“ erschienen und online abrufbar.

Prof. Dr. Michael Pflüger und Katja Gehr (Bilder: Universität Würzburg)