Im Rahmen einer Veranstaltung des Mercator-Leasing WirtschaftsClubs Würzburg trafen sich am 28. Oktober 2025 Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und regionalen Institutionen, um aktuelle Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz zu diskutieren. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie durch den Einsatz von Transformer-Modellen konkrete Innovationspotenziale für mittelständische Unternehmen in Mainfranken erschlossen werden können. Forschende der Universität Würzburg stellten hierzu aktuelle Ergebnisse aus dem Projekt KI-Regio vor und zeigten auf, wie moderne KI-Ansätze regionale Wertschöpfungsprozesse unterstützen.

Vom Projekt KI-Regio zur KI Made in Mainfranken

Den Auftakt gestaltet Prof. Dr. Richard Pibernik von der Universität Würzburg. Er berichtet über das EFRE-geförderte Transferprojekt KI-Regio – Künstliche Intelligenz für regionale Wertschöpfungsketten, in dem mehr als 25 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam mit über 60 Unternehmen aus Mainfranken an konkreten Lösungen arbeiten. Ihr Ziel: kleine und mittlere Unternehmen sollen trotz begrenzter Daten, Budgets und personeller Ressourcen in die Lage versetzt werden, KI produktiv einzusetzen.

Prof. Dr. Richard Pibernik zeigt, dass es dabei nicht um theoretische Modelle geht, sondern um Anwendungen, die regionale Wertschöpfungsketten effizienter, nachhaltiger und widerstandsfähiger machen. „KI kann nur dort wirken, wo sie an echte Bedürfnisse anschließt“, betont er. „Und genau das gelingt, wenn Forschung und Wirtschaft sich auf Augenhöhe begegnen.“ Die Dynamik des Themas Künstliche Intelligenz wird deutlich an der wachsenden Zahl der Projektpartner, die sich seit Projektbeginn 2024 auf über 60 und damit mehr als verdoppelt hat.

Transformer-Modelle für die betriebliche Planung

Wie dieser Wissenstransfer in der Praxis aussieht, zeigen im Anschluss Magnus Maichle und Nico Elbert von der Forschungsgruppe Data Driven Decisions (D3). Sie haben ein Foundation Model auf Basis der Transformer-Technologie entwickelt, das für viele Unternehmen in Mainfranken bereits heute greifbare Ergebnisse liefert.

Transformermodelle, ursprünglich aus der Sprachverarbeitung bekannt, erkennen Muster und Zusammenhänge in großen Datenmengen. Was bei ChatGPT der Satz ist, ist bei Maichle und Elbert der Geschäftsprozess: Produkte, Preise, Nachfrageverläufe, Lieferzeiten oder Lagerkapazitäten werden als Datenströme betrachtet, die das Modell „versteht“ und auf deren Basis es künftige Entwicklungen vorhersagen kann.

Anstatt für jedes Unternehmen ein eigenes Modell zu trainieren, haben die Forschenden ein gemeinsames Basismodell (Foundation Model) geschaffen, das betriebswirtschaftliche Zusammenhänge generalisiert und auf neue Unternehmen übertragbar macht. Es wurde auf Datensätzen von über fünf Millionen Produkten trainiert und kann damit Prognosen selbst dort erstellen, wo Informationen unvollständig oder unstrukturiert sind, was einen enormer Vorteil für kleine Betriebe mit begrenzten Datenbeständen darstellt.

Das Modell nutzt dabei die Mechanismen des Transformer-Ansatzes, der in der KI-Forschung als Durchbruch gilt: Durch sogenannte Self-Attention-Mechanismen lernt das Modell, welche Informationen in einem Datensatz für eine Entscheidung relevant sind, und kann so kontextabhängig planen. In der Sprache der Wirtschaft heißt das: Es versteht, wie sich Preisaktionen, Saisonalität oder Lieferengpässe gegenseitig beeinflussen und welche Konsequenzen daraus für die Nachfrage entstehen.

Vom Datenmangel zum Schwarmwissen

Gerade für den Mittelstand ist der Mangel an Daten ein zentrales Problem. Ein einzelnes Unternehmen kann keine Millionen an Beispielen generieren, um ein lernfähiges Modell zu trainieren. Das Würzburger Foundation Model löst dieses Problem, indem es unternehmensübergreifendes Wissen nutzt. Die Daten verschiedener Firmen werden in anonymisierter Form zusammengeführt, sodass das Modell Muster über Branchengrenzen hinweg erkennt.

Das Ergebnis ist eine Art Schwarmintelligenz für betriebliche Planung: Erkenntnisse aus einem Unternehmen helfen anderen, auch wenn sie in völlig unterschiedlichen Märkten tätig sind. Diese Form des „geteilten Lernens“ führt dazu, dass neue Unternehmen oder neue Produkte sofort von bestehendem Wissen profitieren können. So wird kein aufwendiges erneutes Training erforderlich.

Effizienz, Nachhaltigkeit und Akzeptanz

Die praktischen Auswirkungen sind messbar: In Pilotprojekten konnten Lagerbestände um bis zu zehn Prozent reduziert werden, während Fehlbestände um die Hälfte sanken. Das bedeutet weniger gebundenes Kapital, weniger Ausschuss, geringere Lagerflächen und eine deutlich stabilere Versorgung. Darüber hinaus lassen sich viele Entscheidungen automatisieren, was den Planungsaufwand erheblich reduziert und Mitarbeitende entlastet.

Doch Effizienz allein genügt nicht. Maichle und Elbert betonen, dass Nachhaltigkeit und Transparenz ebenso zentrale Ziele ihrer Arbeit sind. Die Optimierung von Beständen reduziert nicht nur Kosten, sondern auch Transportwege, Energieverbrauch und Materialverschwendung. Dadurch entsteht ein Beitrag zu ökologischer Resilienz, der über reine Wirtschaftlichkeit hinausgeht.

Agentische KI: Wenn Modelle erklären, was sie tun

Um Akzeptanz zu schaffen, entwickelt die D3-Gruppe sogenannte agentische KI-Systeme. Sie kombinieren die Rechenleistung von Modellen mit der Kommunikationsfähigkeit großer Sprachsysteme. Damit kann die KI ihre eigenen Vorschläge erläutern, Unsicherheiten benennen und Alternativen aufzeigen. Für Planungsverantwortliche bedeutet das: Die Technologie wird nachvollziehbar, Entscheidungen bleiben verstehbar und steuerbar.

Diese Art von erklärbarer KI ist ein entscheidender Schritt, um das Vertrauen in datengetriebene Systeme zu stärken. „Wir wollen, dass Unternehmen KI nicht als Black Box erleben, sondern als Partner, der transparent unterstützt“, so Elbert.

Von der Forschung in die Gründung: SOLISTIQ

Das große Interesse der beteiligten Unternehmen hat dazu geführt, dass die Forschenden ihren Ansatz über das Projekt KI-Regio hinaus fortführen. Mit der geplanten Ausgründung SOLISTIQ entsteht ein Spin-off, das die entwickelten Methoden marktreif und einer breiten Wirtschaft zugänglich macht. SOLISTIQ steht damit exemplarisch für das Ziel des Projekts KI-Regio: Wissenschaft in praktische Wertschöpfung zu übersetzen.

Die Verbindung aus akademischer Exzellenz, regionaler Vernetzung und pragmatischem Unternehmergeist zeigt, dass Zukunftstechnologie nicht nur in globalen Konzernen entsteht, sondern ihren Ursprung mitten in Mainfranken hat.

Ein Abend, der Perspektiven öffnete

Am Ende der Veranstaltung wurde deutlich, dass Künstliche Intelligenz in Würzburg nicht nur theoretisch erforscht, sondern bereits praktisch umgesetzt wird. Die vorgestellten Entwicklungen verdeutlichten den konkreten Nutzen für Unternehmen, Beschäftigte und Umwelt.

Die Veranstaltung des WirtschaftsClubs zeigte, wie regional verankerte Forschung zur Stärkung digitaler Souveränität und wirtschaftlicher Resilienz beiträgt. Sie machte zudem sichtbar, dass ein ursprünglich sprachbasiertes Transformer-Modell zu einem anwendungsorientierten Instrument für die betriebliche Planung im Mittelstand weiterentwickelt wurde.

David Brandstetter, Prof. Dr. Richard Pibernik, Magnus Maichle, Nico Elbert und Matthias Faller (v.l.n.r.) (Bild: Silvia Gralla)