Es ist DIE Chance, neue Kulturen zu erleben, eigene Grenzen zu erweitern und sich sowohl persönlich als auch akademisch weiterzuentwickeln: Warum ein Auslandssemester das Leben verändern kann – trotz aller Herausforderungen.
Leonie Blass sitzt in ihrem WG-Zimmer, vor sich eine Bewerbung für ein Praktikum in einem großen Unternehmen. Der letzte Eintrag in ihrem Lebenslauf ist noch gar nicht so lange her: „September 2023 – Februar 2024: Auslandssemester an der Universität von Valencia“. Sie hofft, dass dieser Lebensabschnitt ihre Chancen für die Stelle erhöhen wird: „Ich weiß, dass bei größeren Unternehmen Auslandserfahrung gewünscht, wenn nicht sogar Pflicht ist”, sagt sie. Für Leonie ging es deshalb bereits nach dem Abitur auf eine Fernreise nach Asien. Und auch seit Beginn des Studiums der Wirtschaftswissenschaften sei ihr bewusst gewesen, dass sie auf jeden Fall ein Auslandsemester absolvieren wollen würde: „Mir hat es einfach gefallen neue Leute, Kulturen und Orte kennenzulernen – und dabei aus meiner Komfortzone gezwungen zu werden“, erzählt sie begeistert.

Zwischen Abenteuerlust und Überforderung
Ein Auslandssemester kann aber auch ein Wechselbad der Gefühle werden: Abenteuerlust und Aufregung mischen sich oft mit dem Gefühl von Unsicherheit. Für einige ist es die erste große Reise, der erste Flug allein oder der erste Langzeitaufenthalt in der Fremde. Besonders die Anfangszeit könne herausfordernd sein, meint Leonie Blass: ein unbekanntes Unisystem, neue Wohnverhältnisse und das Fehlen eines gewohnten sozialen Netzwerks würden manchmal überwältigend wirken.
Leonie erinnert sich, dass sie gerade in den ersten Wochen sehr aktiv auf andere Menschen zugehen musste. Sie habe das Glück gehabt, schnell eine Person gefunden zu haben, bei der “ich mich wohl fühlte und deren Interessen meinen sehr ähnlich waren. Aber auch wenn es nicht sofort passt: lasst den Kopf nicht hängen und sprecht weiter Leute an“, gibt Leonie als Tipp mit.
Wichtig sei es, nicht mit der Erwartung eines perfekten Starts in das Semester zu gehen. Kleine Hürden gehörten dazu – aber sie ließen sich in der Regel meistern.
Freundschaften über Kulturen hinweg
Es sind oft die Mitbewohner, Kommilitonen aus verschiedenen Ländern oder auch andere Erasmus-Studierende, mit denen man erste Gespräche führt und kleine Unternehmungen teilt, wie zusammen nach der Vorlesung einen Kaffee trinken zu gehen. Gemeinsame Aktivitäten wie Kochen, Ausflüge oder das Erkunden der Stadt stärken die Bindung und schaffen unvergessliche Erinnerungen.
„Ich habe mit einer Freundin einen Roadtrip durch Spanien gemacht – obwohl wir uns noch gar nicht lange kannten. Es war eine wunderschöne und unvergessliche Zeit. Man merkt, dass das gemeinsame Erlebnis einen unglaublich zusammenschweißt“, erzählt Leonie mit einem Lächeln.
Mit einigen ihrer Freunde aus dem Auslandssemester habe sie auch heute noch engen Kontakt und sie erklärt: „In dem Moment, in dem man voneinander hört, kommt sofort dieses Gefühl der Verbundenheit hoch.“

Auf der Suche nach dem Zuhause auf Zeit
Valencia zieht jedes Jahr tausende internationale Studierende an – und das macht die Wohnungssuche schwierig. Besonders bezahlbarer Wohnraum sei knapp, denn viele Vermieter bevorzugen langfristige Mietverhältnisse und wollten oft keine Studierenden als Mieter, berichtet Leonie. Die meisten Wohnungen, die sie online gefunden habe, seien utopisch gewesen und deshalb nicht infrage gekommen. Sie habe sich daher intensiv auf sozialen Netzwerken umgesehen und sei schließlich fündig geworden. „Ich bin allen möglichen Gruppen beigetreten. Nach langem Suchen habe ich dann endlich ein bezahlbares WG-Zimmer gefunden. Ein Tipp, den ich allen geben kann, fangt frühzeitig mit der Wohnungssuche an und bewerbt euch auch bei Studentenwohnheimen – aber bedenkt hier, dass diese oft teurer sind als ein WG-Zimmer“, erzählt sie.
Wie finanziert man ein Auslandssemester?
Leonie wurde durch das Erasmus-Programm unterstützt und erhielt monatlich 440 Euro – doch dieser Betrag habe gerade einmal die Miete abgedeckt. Alle weiteren Kosten habe sie durch Ersparnisse, frühere Nebenjobs und die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern stemmen müssen. Besonders geholfen habe ihr, dass sie ihr WG-Zimmer in Deutschland untervermieten konnte und so keine doppelte Miete zahlen musste.
Dennoch sei die finanzielle Situation eine Herausforderung gewesen. „Man sollte sich bewusst sein, dass man nicht im Urlaub ist. Mehrmals wöchentlich essen gehen und ständige Shoppingtrips sind nicht drin. Trotzdem sollte man die Zeit vor Ort nutzen, um Dinge zu erleben und das Sparen lieber auf später zu verschieben“, fügt Leonie hinzu.

Auslandssemester als Berufskatalysator
Auch wenn ein studienbezogener Auslandsaufenthalt keine unabdingbare Voraussetzung ist, um Karriere zu machen, wird dieser bei renommierten Unternehmen gerne gesehen. Wer in die Fremde geht, fördert seine interkulturelle Kompetenz, muss Probleme selbstständig lösen, wird offen für Neues, zeigt Flexibilität und Durchhaltevermögen – und natürlich verbessert der Aufenthalt auch die Sprachkenntnisse. Wertvolle Erfahrungen und Skills, die für zukünftige Auslandseinsätze oder internationale Projektarbeit qualifizieren.
Leonie hat in den sechs Monaten jedenfalls nicht nur eine fremde Stadt und Kultur entdeckt, sondern auch über sich selbst viel gelernt, wie sie sagt. Die Herausforderungen, denen sie begegnete, hätten sie stärker gemacht. Rückblickend würde sie sich daher jederzeit wieder für ein Auslandssemester entscheiden.
von Jamie Hauke & Valentina Ruppert
