Von Maria Schander
Zahlreiche Studenten entscheiden sich für ein Praktikum bei den Big Four, um bereits während des Studiums Praxiserfahrungen zu sammeln. Wie der Bewerbungsprozess aussieht, welche Tätigkeiten dich dort erwarten und wie deine Einstiegschancen nach dem Praktikum aussehen, erfährst Du am konkreten Beispiel von Deloitte hier.
Die Big Four und ihre Tätigkeitsbereiche
Als Student endlich Mal Praxisluft bei einem renommierten Unternehmen schnuppern und gleichzeitig seinen Lebenslauf pushen? Nachvollziehen wofür das ein oder andere Modul, aus dem doch sehr theoretischen Wiwi-Studium auch im späteren Berufsleben sinnvoll sein könnte? Diese oder ähnliche Fragen spornen jährlich viele Studenten dazu an, sich für ein Praktikum in einem sogenannten Big Four Unternehmen zu bewerben. Der Begriff Big Four umfasst die vier umsatzstärksten Prüfungsgesellschaften weltweit: Deloitte, KPMG, PricewaterhouseCoopers (PwC) sowie Ernst & Young (EY). Durch ihren internationalen Stand und den umfangreichen Aufträgen bei etlichen Unternehmen genießen die Big Four einen exzellenten Ruf. So vielseitig wie ihre Klienten sind auch die Tätigkeitsbereiche, sodass die Big Four oftmals für viele Studenten „Der“ Wunscharbeitgeber für ein Praktikum sind. Neben den traditionellen Bereichen wie Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung gewinnt das Beratungsgeschäft auch in den Bereichen Unternehmensberatung sowie Risiko-, Finanz- und Transaktionsberatung zunehmend an Bedeutung.
So entschied sich auch Hannah Schmidt, Bachelor-Studentin der Wirtschaftswissenschaften der JMU Würzburg, im vergangenen Wintersemester 2022/2023 ein Praktikum im Bereich Consulting (Unternehmensberatung) bei Deloitte zu absolvieren. „Ich hätte niemals gedacht als Bachelor-Studentin ohne praktische Vorerfahrung überhaupt ansatzweise eine Chance auf einen Praktikumsplatz bei einer Big Four zu haben. Durch mein Praktikum habe ich den Bereich Consulting und Deloitte wirklich für mich entdeckt “, reflektiert Hannah.
Der Bewerbungsprozess
Wie alle Big Four Beratungen, besitzt auch Deloitte ein Onlineportal, auf dem sich Studenten umfassend über die derzeitigen Praktikumsangebote informieren und bewerben können. „Total hilfreich“ empfand Hannah außerdem, dass Deloitte den Bewerbungsprozess und die Anforderungen an die Bewerber transparent auf ihrer Webseite ausweise. „Es gibt sogar ein richtig gutes Video, wo relevante Tipps für den Bewerbungsprozess und die Gestaltung des CVs geteilt werden“. Personaler seien müde, sich regelmäßig durch ewig lange Lebensläufe und endlose Anlagen durchzuarbeiten. „Bei einem Studenten sollte der Lebenslauf noch auf eine Seite passen. Der Fokus sollte hier ganz klar bei dem Wesentlichen liegen“, warnt die Personalleiterin Anja Müller des Student Office von Deloitte. Neben dem Lebenslauf sollten auch sämtliche relevante Zeugnisse (Abitur/Studium), Arbeits- und Praktikumszeugnisse und die aktuelle Notenübersicht der Online-Bewerbung beigefügt werden. Ein Anschreiben könne optional eingereicht werden, sei jedoch kein Muss.
Das Bewerbungsgespräch
Du hast eine positive Rückmeldung erhalten, was erwartet dich als nächstes? Üblicherweise werden die Bewerber zu Einzelinterviews mit Case Studys eingeladen, bei denen Fragestellungen im Bereich Textverständnis, Logik und Mathematik unter Zeitdruck geprüft werden. Dabei kommt es oft nicht auf die 100% korrekte Lösung an, sondern auf dein analytisches Denkvermögen und deine generelle Herangehensweise an die Problemstellung. „In meinem Interview musste ich einen One-Pager mit allen relevanten Fakten über mich erstellen, um mich meinem Interview-Partner kurz selbst vorzustellen. Außerdem wurden fachliche Fragen zu dem Fachbereich gestellt“, so Hannah. Zudem musste die Studentin einen Logik-Case lösen und sich darin Gedanken darüber machen, wie viel Liter Farbe sie für den Anstrich eines Passagierflugzeuges bräuchte. „Zunächst war ich mit der Fragestellung komplett überrumpelt. Am Ende kam es aber auf meinen Lösungsweg an und weniger auf eine konkrete Zahl“, erläutert Hannah. Außerdem empfiehlt sie, im Rahmen der Vorbereitung auf die Interviews, Case Studies zu üben, die öffentlich und kostenlos auf diversen Webseiten verfügbar sind.
Praktikumsstart und Projekteinsatz
Du konntest in deinen Einzelinterviews glänzen und hast das Unternehmen von dir überzeugt? Mit dem Praktikumsstart beginnen in den Big Four die sogenannten Onboarding-Tage. Dabei werden alle Neueinsteiger mit der IT und den Unternehmenstools, den relevanten Ansprechpartnern und der Unternehmenskultur vertraut gemacht. „Es ist wirklich sehr viel Input am Anfang und man fühlt sich etwas überfordert. Gleichzeit ist es aber auch cool, sich mit anderen Neueinsteigern austauschen zu können“, erzählt uns Hannah. Kontakte knüpfen, oder wie der Berater so schön sagt, „Networking“, sei absolut essenziell in dem Big Four Business, betont Selina Clasen, Praktikantenbetreuerin der Abteilung Supply Chain und Network Operations bei der Deloitte Consulting. Hierfür solltest Du dir auch als Praktikant unbedingt ein LinkedIn Profil anlegen. „Vor dem Praktikumsbeginn tauschen wir uns üblicherweise mit den Studenten aus und fragen sie nach präferierten Themen für ihr erstes Projekt. Damit kann man bei uns von der Automobilbranche bis hin zum Chemieunternehmen gefühlt in allen Wirtschaftszweigen tätig werden“, so Frau Clasen.
Nach den Onboarding-Tagen sei es bei den Big Four Beratungen üblich, direkt ins kalte Wasser geschmissen zu werden. „Gerade die ersten Wochen auf dem neuen Projekt sind sehr anstrengend“, sagt Hannah, die im Rahmen ihres ersten Projekts in der Krankenhausbeschaffung einer Klinik tätig war. „Man lernt in kürzester Zeit etliche neue Gesichter kennen und muss sich schnellstmöglich in die Thematik des Projekts einarbeiten.“ „Allerdings fühlt man sich auch während der Anfangszeit direkt gut betreut“, so die Studentin. Jedem Praktikanten werde auf dem Projekt ein „Buddy“ zugeteilt, der die Einarbeitungsphase erleichtert und bei fachlichen Fragen zur Verfügung stehe. Projektabhängig seien die Aufgaben meist recht vielfältig. Von eher operativen Aufgaben wie die Erstellung von „Hochglanz-Slide Decks“ für den Kunden bis hin zu strategischeren Aufgaben wie die Mitgestaltung von Kundenworkshops sei alles dabei. „Besonders schön fand ich, dass ich auf dem Projekt als vollwertiges Mitglied mitarbeiten durfte. Ich hatte meine eigenen Aufgaben, die auch dann tatsächlich von mir selbst dem Kunden präsentiert wurden“, berichtet Hannah. „Da wird nicht differenziert, ob du „nur“ der Praktikant bist.“ Durch die abwechslungsreichen Aufgaben wird einem im Rahmen des Praktikums ein sehr realistisches Bild vom „Berater-Lifestyle“ vermittelt. „Du solltest allerdings stressresistent und auch bereit sein, die ein oder andere Stunde länger zu arbeiten“, so Hannah. Wer bei einem Praktikum in der Big Four auf einen klassischen Nine-to-five-Job gehofft hat, ist dort definitiv fehl am Platz.
Einstiegschancen nach dem Praktikum
Wer bei seinem Praktikum persönlich und fachlich überzeugt hat, bekommt in der Regel die Chance auf eine Werkstudententätigkeit oder in ein Praktikantenbindungsprogramm aufgenommen zu werden, um mit dem Unternehmen langfristig in Kontakt zu bleiben. Die Programme bieten verschiedene Angebote über Workshops und Veranstaltungen für ehemalige Praktikanten an, um sich so bis zum Studienabschluss und einem potenziellen Berufseinstieg unternehmensintern weiter vernetzen zu können. „Mir wurde nach meinem Praktikum eine Werkstudentenstelle angeboten. So habe ich weiterhin die Möglichkeit neben meinem Studium praktische Berufserfahrung zu sammeln, aber natürlich mit deutlich weniger Stunden pro Woche, damit die Uni nicht zu kurz kommt“, berichtet Hannah. Auch der direkte Berufseinstieg nach dem Studium wird einem so deutlich erleichtert. „Wer bei uns bereits ein Praktikum erfolgreich absolviert hat, vielleicht noch einige Zeit als Werkstudent tätig war und immer gute Leistung erbracht hat, wird in der Regel am Ende auch fest übernommen. Erneut bewerben und weitere Interviewgespräche führen, muss man bei uns dann definitiv nicht mehr“, erklärt Personalleiterin Müller.
Für viele ist das Praktikum der Einstieg in die „Big Four“- Beratung
Ein Praktikum bei den Big Four fordert den Studenten sehr viel ab. Ist damit die Bewerbung um einen Praktikumsplatz bei der Big Four doch eher ein „Fail“, gerade mit dem Wissen, dass es in anderen Unternehmen für Praktikanten doch eher entspannter zugeht?
Ganz klares „Nein“, laut Hannah. „Natürlich ist es am Anfang nicht so leicht mit dem Workload klarzukommen. Dennoch ist die Lernkurve immens und ich kann meine neu erlangten Skills auch für die Uni nutzen.“ Zudem dürfe auch angesichts des starken Wachstums in der Beraterbranche nicht unterschätzt werden, welche Karriereperspektiven sich einem mit dem Praktikum bei der Big Four eröffnen. „Mein Linkedin Postfach füllt sich mittlerweile mit Jobanfragen von vielen verschiedenen Beratungsunternehmen. Das war vor meinem Praktikum bei Deloitte definitiv noch nicht so“, berichtet die Studentin. Sie macht sich keine Sorgen mehr, nach dem Studienabschluss ein Wirtschaftswissenschaftler unter vielen zu sein und ewig einen Job suchen zu müssen. Damit sei die Praktikumserfahrung bei der Big Four für Hannah ihre „Big Chance“ gewesen, in der Beratung Fuß zu fassen.